Eine aktuelle Analyse macht deutlich, dass dringender Handlungsbedarf bei Strompreisen, Netzausbau und regulatorischen Anreizen besteht, um die Klimaziele der Ernährungsindustrie zu erreichen und deren Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.
Die Branche, die fast zehn Prozent des industriellen Energieverbrauchs ausmacht, steht laut der neuen Studie „FlexErnährungsindustrie“ des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI vor erheblichen Herausforderungen. Die im Auftrag des OVID-Verbands der ölsaatenverarbeitenden Industrie und des Verbands der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS) erstellte Untersuchung wurde in Zusammenarbeit mit der Verbändeallianz Energieintensive Ernährungsindustrie durchgeführt. Sie benennt drei zentrale Hindernisse für den Fortschritt der Energiewende: hohe Stromkosten, schleppenden Netzausbau und fehlende Investitionssicherheit.
Am Beispiel der Ölsaatenverarbeitung und Stärkeproduktion werden diese Probleme konkret sichtbar:
1. Hohe Kosten für grünen Strom:
Elektrische Prozesswärme ist derzeit um 56 bis 80 Prozent teurer als Erdgas in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Diese deutliche Kostendifferenz verhindert wirtschaftlich tragfähige Investitionen in klimafreundliche Technologien wie Wärmepumpen.
2. Verzögerter Netzausbau:
Unternehmen, die auf Elektrifizierung setzen, benötigen eine bis zu fünfmal höhere Anschlussleistung. In der Praxis müssen sie jedoch teils jahrelang, in Extremfällen sogar bis zu 15 Jahre, auf einen entsprechenden Netzanschluss warten.
3. Fehlende Planungssicherheit:
Ein unsicherer energiepolitischer Rahmen und ein komplexes Regelwerk hemmen langfristige Investitionen. Ohne stabile Rahmenbedingungen fehlt Unternehmen die Grundlage, um in nachhaltige Geschäftsmodelle zu investieren.
Studienleiter Michael Haendel vom Fraunhofer ISI betonte, die Analyse zeige eine deutliche Diskrepanz zwischen den politischen Zielen zur Dekarbonisierung und den wirtschaftlichen Realitäten. Die derzeitigen Rahmenbedingungen würden die Transformation der Ernährungsindustrie nicht nur verlangsamen, sondern auch erschweren. Ohne grundlegende Reformen bei Strompreisen, Netzinfrastruktur und Anreizsystemen seien notwendige Investitionen in klimafreundliche Prozesse kaum zu erwarten.
Die beteiligten Branchenverbände fordern daher eine Energiepolitik, die stärker an der Realität orientiert ist, technologische Vielfalt zulässt, die Wettbewerbsfähigkeit wahrt und Planungssicherheit bietet.
OVID-Präsidentin Jaana Kleinschmit von Lengefeld erklärte, dass hohe Energiekosten, Bürokratie und Infrastrukturdefizite die internationale Wettbewerbsfähigkeit erheblich beeinträchtigten. Um die Lebensmittelproduktion in Deutschland langfristig zu sichern, seien ein wettbewerbsfähiger Industriestrompreis, angepasste Netzentgelte und eine Nachfolgeregelung für den Spitzenausgleich Gas dringend notwendig.
Auch Julia Laudenbach, Vorständin im VGMS, betonte die Notwendigkeit pragmatischer Lösungen. Nicht alles, was technisch möglich sei, lasse sich wirtschaftlich umsetzen. Besonders die Stärkewirtschaft zeige, wie effizient die energieintensive Ernährungsindustrie bereits arbeite. Die Kraft-Wärme-Kopplung mit Wirkungsgraden von bis zu 95 Prozent bleibe weiterhin ein zentraler Bestandteil effizienter Energieversorgung. Die Politik müsse die Ernährungsindustrie in der Energiewende stärker berücksichtigen, um die Versorgung mit Lebensmitteln auch künftig sicherzustellen.
Hintergrund:
Die Studie „Flexibilisierung elektrifizierter Industrieprozesse in der Ernährungsindustrie am Beispiel der Ölsaatenverarbeitung und Stärkeproduktion“ wurde vom Fraunhofer ISI im Auftrag von OVID und VGMS erstellt. Sie untersucht erstmals systematisch die Potenziale und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Flexibilisierung elektrifizierter Prozesse in der Lebensmittelindustrie und ergänzt die 2024 veröffentlichte Fraunhofer-Studie zur Flexibilisierung energieintensiver Industrieprozesse.
Über die Allianz Energieintensive Ernährungsindustrie:
In der Allianz haben sich zwölf Verbände zusammengeschlossen, deren Mitgliedsunternehmen besonders energieintensive Produktionsprozesse betreiben und die wesentlich zur Versorgung mit Grundnahrungsmitteln beitragen. Dazu zählen unter anderem der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI), der Milchindustrie-Verband (MIV), der Deutsche Brauer-Bund, OVID, VGMS und der Verein der Zuckerindustrie (VdZ).
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung von OVID Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland e. V./Veröffentlicht am 14.10.2025
